Alles ist erleuchtet von Charlotte Elisa Schaum
In seinem Roman „Le Rayon Vert (der grüne Strahl)“ beschrieb Jules Vernes ein Phänomen, das eine breitere Popularität spätestens durch der Piraten der Karibik letzten Teil erhielt: das grüne Leuchten.
Was den Seefahrern früher als Zeichen der Rückkehr einer geliebten (oder gefürchteten) Seele aus der Unterwelt war, ist tatsächlich ein sehr selten gewordenes Naturphänomen, das sich unter Ozeanographen allgemeiner Beliebtheit erfreut. Auf dem offenen Meer oder an Küsten mit nur geringer Luftverschmutzung, wird das rote Licht der nah am Horizont stehenden Sonne beim Sonnenauf- oder Untergang in seine Farbbestandteile, auch Spektralfarben genannt, zerlegt. Die Farbbestandteile der untergehenden Sonne sind rot, grün, und blau, wobei sich das rot-orangene Licht in der Mitte befindet, und von einem grünlich-blauen Rand umgeben ist. Geht die Sonne nun weiter unter, verschwindet der Rotanteil zuerst und schließlich gänzlich. Blaues Licht wird in der Erdatmosphäre aber so stark gestreut, dass es kaum als solches sichtbar ist. Was bleibt, ist grün, und für wenige Sekunden erstrahlt der Himmel in surrealistischem Glanz, wie selbst ein Dalí es nicht hätte besser auf die Leinwand zaubern können. Je nach Luftzusammensetzung ändert sich allerdings das Zusammenspiel von Lichtbrechung und Reflexion, so dass sehr selten auch ein violettes oder blaues Aufleuchten beobachtet werden kann.
Ist die Sonne untergegangen, regen sich eine Vielzahl von leuchtenden Organismen
Ist die Sonne erst einmal untergegangen, regen sich in der See eine Vielzahl von leuchtenden Organismen, die dort die Nacht zum Tag machen. Biolumineszens – die Fähigkeit Licht zu erzeugen – ist im Meer weit verbreitet. Am bekanntesten sind vermutlich die mikroskopisch kleinen mit Geißeln versehenen Einzeller die Dinoflagellaten genannt werden. Die eigentümliche Namensgebung leitet sich entweder vom griechischen ab, das mit wirbelnd übersetzt wird und die Fortbewegung dieser Einzeller gut beschreibt, oder ist eine Ode an die Beschaffenheit des Panzers der Algen, der eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit Dinosaurierhaut hat. Dinoflagellaten heißen zum Beispiel Noctiluca scintillans (die Nachtleuchtende) und Pyrocystis fusiformis (Feuersäckchen), und senden bei Berührung durch Wasserturbulenzen oder vorbeischwimmende Fische und andere Meereswesen anhaltende Leuchtsignale aus. Da diese Einzeller keineswegs Einsiedler und Einzel(l)gänger sind, sondern vielmehr gleich zu Abertausenden auftreten, beginnt dann die ganze Welle oder das den Fisch umgebende Wasser grünlich zu leuchten. In der Tiefsee freilich herrscht ewige Nacht – bis auf einige wenige Ausnahmen an jenen vereinzelten Stellen, an denen die Erdplatten mir Urgewalt auseinander driften und sich das heiße, rotglühende Erdinnere in die See ergießt. Findige Organismen leuchten hier vor allem in grün und blau, seltener in rot. Quallen, Seegurken, Krebstiere, Fische, Schnecken und Borstenwürmer senden Nachrichten wie aus einem anderem Universum. In mehr als 5 Kilometern Tiefe blitzt, glimmt, flimmert und schimmert, reflektiert, absorbiert, und dispersiert es aus Gründen, die einer gewissen Dramatik nicht entbehren. Da geht es ums Fressen und Gefressenwerden, um Liebe (oder zumindest Partnersuche und das Fortbestehen der Art), und nicht selten um Leben und Tod.
Wer nicht selbst glänzen kann und sich auch keine leuchtenden Mitbewohner hält, hat das Nachsehen, bleibt im Dunkel unerfahren- und hofft wohl auf Erleuchtung.